Samstag, 1. März 2014

Erster Arbeitstag als Hundeschlittenführer

Weil man sich in seinem Wunschland ja möglichst gut anpassen sollte, habe ich mir, wie jeder norwegische Student, einen Job gesucht. Ich habe vor ein paar Wochen schon berichtet, dass der Cousin meines lieben Gastvaters eine Huskyfarm in Alta besitzt. Da im März viele Gäste mit den Kreuzfahrtschiffen ankommen, wurden für die Zeit neue Guides gesucht. Mein Gastvater Trond stellte also den Kontakt zwischen mir und seinem Cousin Eirik her. Anfang Februar haben wir uns getroffen und er hat mir von seinem Betrieb und neuesten Attraktionen für die Touristen erzählt. Vor ungefähr zwei Wochen war ich auf der Huskyfarm und habe mich von den 85 bellenden, springenden und aufgeregten Hunden einschüchtern lassen, während Eirik den neuen Guides erklärte, was man beim Hundeschlittenfahren beachten muss. Natürlich kommt für den März hinzu, dass die Gäste mindestens 55 Jahre alt sind, was heißt dass einige der Älteren sich auf der Farm und während der Farm leichter mal verletzen können. Ein paar Tage später wurde ich dann auf den Schlitten gesetzt und Nils, ein erfahrener Deutscher Guide, hat den Schlitten gebremst und gelenkt.

Heute wurde es dann ernst. Gerrit und ich wurden im Laufe des Vormittags drei Mal von der Personalchefin Mia kontaktiert, da das Kreuzfahrtschiff Verspätung hatte und ständig neue Ankunftszeiten der Gäste durchgegeben wurden. Statt um 13:45 sollte die Tour dann um 15:00 losgehen. Damit uns vorher noch eine kleine Einweisung gegeben werden konnte und die Hunde an die Schlitten geleint werden konnten, sind wir um 14:00 losgefahren und waren etwa 15 Minuten später am Ziel. Mia hat uns dann erklärt, dass heute nur ein Bus ankommt, was bedeutet, dass zwei Touren mit den Hunden gefahren werden. Insgesamt waren neun Schlitten unterwegs und ich sollte in der ersten Runde einen Schlitten führen und Gerrit war in der zweiten Runde dran. Vorher mussten aber noch die Hunde zusammengesucht werden. Klingt einfach, ist es aber nicht. Mia hatte für jeden Schlitten die perfekte Kombination aus älteren und jüngeren, wilderen und ruhigeren Hunden erstellt.

Die "Basis"
Ein Teil der Gespanne von heute
Die Liste wurde an der "Basis", wo auch die Geschirre in drei verschiedenen Größen hingen, aufgehängt und für mich fing dann das große Rätsel an. "Meine" Hunde hießen Roma, Daim, Kane, Två, Yoda und Lacost. Bei 85 Hunden, die in zweier WGs, Hundehütten und Zwingern wohnen, stellte sich mir dann die Frage, wo ich meine Hunde finden würde.

am linken Rand: ein Zwinger, davor und rechts daneben: eine "WG" und im Vordergrund eine Einzelhundehütte
Beim ersten Hund, Roma, zeigte mir Mia, wie man das Geschirr richtig über den Kopf des Hundes stülpt, die Beine durchfädelt und dann stramm zieht. Danach wies sich mich an zu Daim in den Zwinger zu gehen und das gleiche bei ihm zu machen. Ich habe mich dann gefragt, ob es irgendeinen Grund hat, dass die anderen Hunde in ihren WGs und Hundehütten wohnen, während Daim in einem Zwinger untergebracht war. Ich bin also mit meinem Hundegeschirr in den Zwinger gegangen, wo Daim mich ein wenig unsicher angeschaut hat. Nach kurzem Beschnuppern ist er dann in seiner Hundehütte verschwunden und hat sich dort vor mir versteckt. Da alles Zureden keine Wirkung erzielte, habe ich mir den nächsten Guide gesucht und um Hilfe gebeten. Der hat einmal beherzt in den Zwinger gegriffen und Daim am Halsband ans Tageslicht befördert. Ich habe ihm dann das Geschirr übergestülpt und ihn zum Schlitten transportiert. Das funktioniert, indem man den Hund am Halsband greift und etwas hochzieht, sodass er auf zwei Beinen neben einem herhüpft. Das klingt vielleicht etwas brutal, ist es aber nicht. Danach hat Nils mir ein weiteres Geschirr gegeben. Wir sind zu einer der Hunde-WGs gegangen um dort gleichzeitig die beiden Hunde zu versorgen. Nils erklärte mir, dass ich den Hund zwischen meinen Knien etwas einklemmen sollte, damit dieser nicht entwischen kann. Obwohl Nils meinte, dass ich ruhig etwas stärker einklemmen dürfte, hat sich der Hund aus meiner tollen Halterung befreit, nachdem ich die Leine abgemacht habe. In einem Anflug von Panik, dass ich gleich am ersten Arbeitstag dafür verantwortlich bin, dass einer der Hunde abgehauen ist, habe ich mich ins Eis neben dem Hund geschmissen und ihn am Halsband zu fassen bekommen. Nils und Gerrit fanden das scheinbar sehr lustig. Danach wusste ich dann aber, dass es wichtig ist, den Hund wirklich gut mit den Knien festzuhalten und dass man ihnen damit wirklich nicht weh tut. Nachdem mein Schlitten mit den sechs Hunden bestückt war, habe ich Nils dabei geholfen, seinen Schlitten fertig zu machen. Er gab mir ein Geschirr in Größe L (die vorher waren alle S und M) und meinte: "Siehst du den schwarzen Hund dahinten?". Auf meinem Weg zum Hund habe ich mir dann überlegt, dass ein größeres Geschirr eventuell bedeuten könnte, dass der Hund auch etwas kräftiger ist. Trotzdem habe ich ihn unfallfrei am Schlitten befestigt.

Erstes Fazit: Diese Hunde sind wirkliche Arbeitstiere mit unglaublicher Kraft. Wenn ich an die Hunde von Freunden und Bekannten zuhause denke, sind das eigentlich Kuscheltiere.

Da sich das Kreuzfahrtschiff dann doch noch ein wenig verspätete, mussten sich die aufgeregten Hunde (und Guides) noch einige Minuten gedulden. Mein einer Leithund, Roma, verbrachte diese Pause mit einem entspannten Nickerchen, während sich Två in der zweiten Reihe immer wieder mit seinem Bruder ("Tre"), der am Schlitten neben meinem an der gleichen Position auf die Gäste wartete, anlegte. Wenn es bei Holmen Husky Welpen gibt, werden die Welpen immer nach bestimmten Themenbereichen benannt. Es gibt zum Beispiel die Star Wars-Familie, zu der Yoda gehört, die Zahlenfamilie (an meinem Schlitten befand sich Två, was auf schwedisch Zwei heißt und daneben war sein Bruder Tre, was Drei heißt), die Gewürzfamilie  mit Curry, Safran, Thymian und die Städtefamilie, aus der heute Paris, Berlin und Roma unterwegs waren. Von der Tankstellenfamilie kamen heute Esso, Statoil und Shell mit.

Die wartenden Hunde
Mein Gespann: vorne links Daim, rechts Roma, dahinter links Två (9 Monate alt), rechts Kane, dahinter Yoda, der leider hinter Kanes Kopf verschwindet und Lacost.
Es ist auf der Huskyfarm erstaunlich leise, aber nur bis die Hunde merken, dass die Gäste ankommen. Dann ist es, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und die Hunde bellen, springen und zeigen dass sie voller Vorfreude und Energie sind. Mir wurden zwei ca 70 bis 75-jährige Engländer zugewiesen und nachdem ich ihnen geholfen hatte, sich auf den Schlitten zu setzen, konnte es losgehen. Eirik entfernte den Anker mit dem der Schlitten vorne gesichert ist, drückte meine Hände noch einmal an den Griff des Schlittens um mir zu zeigen, dass ich diesen ab jetzt nicht mehr loslassen sollte und band den Schlitten dann vom Pfeiler los. Mit dem Fuß auf der Bremse bin ich als Nummer zwei hinter Mia gestartet. Hinter mir fuhr eine andere relativ neue Hundeschlittenführerin und danach kam wieder ein erfahrener Guide. So wird sichergestellt, dass für alle Guides immer Hilfe in der Nähe ist, falls das nötig sein sollte. Während der Fahrt habe ich mich ein wenig mit den Gästen unterhalten und nach ungefähr 20 Minuten sehr, sehr toller Fahrt waren wir wieder bei der Huskyfarm. Ich habe es mir um einiges schwieriger vorgestellt, Hundeschlitten zu fahren, vor allem weil es in letzter Zeit sehr mild war, es vereist ist und ich bedenken hatte, dass mit der Schlitten inklusive Gästen umkippt oder ich durch die vereiste Strecke irgendwo in den Büschen lande, weil man den Schlitten nicht kontrollieren kann. Das passierte zum Glück alles nicht und die beiden Gäste bedankten sich nach der Tour bei mir.


Roma und Daim nach ihrer ersten Tour
Nach der Tour habe ich das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen und wollte am liebsten noch eine Runde mit meinen neuen Lieblingshunden drehen. Diesmal war aber Gerrit dran und ich half in der Zeit einem anderen Guide, die Anker wieder einzusammeln und an den richtigen Ort zu legen.
Als Gerrit von seiner Runde wieder da war, wurden die Hunde wieder an ihre Hütten geleint und die Geschirre wurden wieder sortiert an der "Basis" aufgehängt. Danach war der erste Arbeitstag vorbei und ich freue mich jetzt schon darauf, morgen um 9:00 wieder dort mit den Hunden zu arbeiten.

Zweites Fazit: Obwohl ich vor einigen Hunden noch ganz schön Respekt habe, weil sie ziemlich ungestüm sind, habe ich mich an die meisten Hunde schon gewöhnt. Ich glaube, dass ich nach ein paar Aufenthalten auf der Farm gelernt habe, wie man mit den Hunden umgeht.

Drittes Fazit: Meine beiden Leithunde von heute würde ich am liebsten mit nach Deutschland nehmen. Die waren soooo lieb und soooo süß!

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