Sonntag, 23. Februar 2014

Wie die Wikinger

Am Freitag hatten wir unsere erste längere Langlauftour mit unserer Lehrerin Inger, die uns zu Beginn der Tour mit "Fotposer" (Fußtüten) ausstattete, die man über die Schuhe ziehen kann, um diese in Pausen warm zu halten. Danach ging es in ein weitläufiges Gebiet in der Nähe des Stadtteils Bossekop.

Aktive Studenten und rechts Inger mit einem Rentierfell (als Sitzunterlage).
Nachdem wir die ersten 1,5 Stunden hinter uns gebracht hatten, haben wir uns eine abgelegene Loipe gesucht und dort die Skier abgeschnallt. Die Fotposer wurden angezogen und Inger wies uns an, nach Feuerholz etwas abseits der Loipe zu suchen.

Ich in meinem Pausenoutfit mit warmen Fäustlingen und Fotposer.
Gesagt, getan. Um die 15 Studenten schwärmten aus und taten ihr Bestes um zu einem großen Lagerfeuer beizutragen. Als genug Holz da war, erklärte Inger uns wie man im Winter ein gutes Lagerfeuer baut und auf was man achten muss. Kurze Zeit später hatten wir unser wärmendes Feuer und das Lunchpaket konnte ausgepackt werden.

links: ich, rechts: Inger
Nachdem der erste Hunger gestillt war und den ersten Studenten langsam kalt war, haben wir mit Inger Aufwärmspiele gespielt und danach konnte man sich aussuchen, ob man 30 Minuten Ski fahren wollte oder lieber warmen Kakao beim Feuer trinken wollte. In dieser Zeit machte Inger sich auf den Weg nach Hause um einen ihrer Huskys und einen weiteren Autoschlüssel zu holen. Da Nina und ich unsere normalen Schuhe, mit denen wir morgens zum Treffpunkt gelaufen sind, in Ingers Auto verstaut hatten und nach dem Langlaufausflug schnell nach Hause mussten, da wir das Wochenende auf einer Hütte verbringen wollten, bekam Nina einen der Autoschlüssel. Inger meinte, dass Nina diesen am Montag zurück geben kann. So sind die Norweger. Als Inger also mit Husky und Schlüssel wieder da war, wurden die Skier wieder angeschnallt und die sechs Studenten, die zusammen zur Hütte wollten, bildeten die erste Gruppe auf dem Rückweg. Es ist irgendwie komisch, wie leicht Menschen durch Abgucken von Mitmenschen lernen. Denn in einer Kurve (ich war die Erste) als es ein bisschen bergab ging, habe ich den anderen vorgemacht, wie man unauffällig aus der Loipe gleitet und einfach geradeaus weiterfährt, bis man wahlweise im Tiefschnee stecken bleibt, oder sich aus Angst vor einem Zusammenprall mit einem Baum seitwärts in den Schnee wirft um zu bremsen. Jeder, der diese Kurve nach mir gefahren ist, hat (ungewollt) versucht, den gleichen Stunt zu machen wie ich.

Schönste Natur richtig nah am Stadtzentrum.
Beim Auto angekommen wurden Langlaufschuhe gegen Joggingschuhe getauscht und die Hüttengruppe machte sich auf den Weg nach Hause. Da wir das erste Stück zur Mathishytta mit dem Auto zurücklegen wollten, aber Gerrit nur Platz für vier Leute hat, musste er zwei Mal fahren und Alex, Alex (ja, die beiden haben gleiche Spitznamen und sind verheiratet) und ich haben uns bereit erklärt, in der ersten Runde mitzufahren und die Hütte schon auf angenehmere Temperaturen zu bringen, während Gerrit Nina und Lisa holen wollte. Noch eine kleine Information zur Mathishütte: kein Strom, kein Wasser, kein Internet (sehr zu Lisas Enttäuschung), kein Nachbar, dafür aber ein ganzer Wald für uns und ein hauseigener Fluss keine 20 Meter von der Hütte entfernt.

Nachdem wir uns auf dem Hinweg zwei Mal verfahren haben, weil die Karte, Straße und Wegbeschreibung nicht zueinander passten, haben wir schließlich einen Norweger gefragt, wie wir zu Hütte kommen. Da wir uns zu der Zeit schon im Wald auf einer Straße, auf die nur ein Auto passt, befanden, waren wir froh, als der Norweger uns anbot ihm einfach zu folgen. Er fuhr so schnell, dass man den Eindruck hatte, dass er sich mit seinem Mercedes in einer Bobbahn befand. Zwischendurch hielt er an, damit Gerrit aufholen konnte und wir ihn nicht komplett aus den Augen verloren. Beim Parkplatz der Hütte angekommen, stieg er aus und erklärte und den Weg zur Hütte. Seitdem wird er von uns liebevoll "Der Mercedesmann" genannt. Alex, Alex und ich brachten den 200m Fußweg mit unserem Gepäck hinter uns und Gerrit machte sich wieder auf den Weg nach Alta. Als wir die Hütte betraten, wurden als Erstes die Kopflampen ausgepackt und der Kamin mit Feuerholz befüllt. In unserem neuen Heim betrug die Temperatur etwa genau das Gleiche, wie in unserem Wald vor der Tür, also irgendwas zwischen -10°C und -15°C. Das letzte Mal waren am 8.Februar Besucher dort, wie aus dem Hüttenbuch hervorging. Man kann sich also vorstellen, dass es relativ lange dauert, bis die Hütte eine angenehme Temperatur erreicht. Während wir drei beschlossen, die Tür zum Schlafzimmer geschlossen zu halten, damit sich das Wohn- und Esszimmer aufwärmen konnte, machten wir Hampelmänner, um uns selbst wieder aufzuwärmen. Bis man den Atem im Wohnzimmer nicht mehr sehen konnte, vergingen etwa 5-6 Stunden. Mit Mützen und Handschuhen bewaffnet, lassen sich diese aber gut überwinden. Zum Abendbrot gab es vorgekochtes Chili mit vorgekochtem Reis. An diesem Wochenende haben wir einige neue Erfahrungen gemacht:

1. Der Waldmensch passt seinen Tagesrythmus dem Tageslicht an.
Das bedeutet, dass wir uns nach dem Essen unseren Schlafplatz gebaut haben. Da es im Schlafzimmer immer noch eiskalt war, wurde dieser Raum "Kühlschrank" genannt. Wir schoben den Tisch und die Bänke im Wohnzimmer zur Seite und holten die Matratzen aus dem Schlafzimmer her. Wir erschufen so eine gemütliche Liegefläche, die etwa 4m² groß war (2m*2m). Lisa hat sich auf das Sofa gelegt und die anderen 5 haben es sich nebeneinander auf den 2m ausgebreitet. Eigentlich kann von ausbreiten keine Rede sein, denn sobald man sich in seine Lücke gedrückt hatte, war es unmöglich sich zu bewegen. Immerhin war es schön warm. Ich lag in der Mitte und hatte dadurch keine Probleme damit, von der Matratze geschubst zu werden und deshalb die Nacht in dem Spalt zwischen Matratze und Tür auf den Schuhen anderer Leute zu verbringen, wie Nina. Um 22:00 fing unsere Nacht dann an und um 7:50 waren wir fertig mit "ausschlafen".

Mathishytta in ihrer Pracht.
2. Der Waldmensch hat andere Verpflichtungen als der Stadtmensch.
Bevor wir frühstücken konnten, mussten einige Dinge erledigt werden. Bei der Planung des Ausfluges hatte Alex gesagt, dass wir unser Trinkwasser aus dem Fluss neben der Hütte holen konnten. Als ich erwähnte, dass Flüsse in Norwegen im Winter oft dazu tendieren zuzufrieren, meinte er, dass dieser Fluss aber ein Wildwasserfluss ist und der friert nicht zu. Also nahmen wir nur Wasser für eine Nacht mit. Als wir am Samstag dann im Hellen zum Fluss gingen, befand sich eine dicke Eisdecke über unserem Trinkwasser. Abwechselnd haben wir also versucht mit einer Axt ein Loch ins Eis zu schlagen. Nach 1,5 Stunden und ca 60cm bis 70cm Eis waren wir am Ziel: Klares, erfrischendes, leckeres, langersehntes... und eiskaltes Wasser.



Ein Waldmensch nach dem Wasserholen.
3. Der Waldmensch kauft sein Feuerholz nicht.
Da ein kleiner Sack mit Feuerholz umgerechnet 12€ kosten sollte und man davon einige gebraucht hätte, um die Hütte von Freitag bis Sonntag zu beheizen, haben wir uns auf die Suche nach abgebrochenen Ästen gemacht und nach relativ kurzer Zeit hatten wir einen großen Berg zusammengesucht. Einen Teil verwendeten wir später für ein Lagerfeuer, welches abends aussah, wie der Eingang zur Hölle.


Die Mädels haben sich um den Haushalt gekümmert, während Alex und Gerrit einer anderen Aufgabe nachkamen:

4. Der Waldmensch parkt sein Auto nicht irgendwie.
Als Gerrit am Freitagabend mit Nina und Lisa zur Hütte fuhr, hatte er das Auto ein Stück zu weit im Schnee geparkt und versuchte also am Samstag sein Auto wieder freizuschaufeln. Es war inzwischen 10:30 und wir hatten noch nicht gefrühstückt. Die Mädels haben den Abwasch gemacht als Alex herkam und uns dazu einlud, dabei zu helfen Gerrits Auto aus dem Schnee zu bewegen. Wir haben also zu fünft geschoben und Gerrit hat hinter dem Lenkrad mitgearbeitet. Allerdings konnten wir das Auto keinen Zentimeter bewegen. Zumindest nicht in die richtige Richtung. Statt rückwärts zu rollen, sank das Auto nur weiter im Schnee ein. Mit vereinten Kräften, einer Axt, einer Schaufel, einem Klappspaten, der den Tag leider nicht überstand und ganz vielen Holzstücken, Ästen und Ähnlichem haben wir das Auto nach etwa 45Minuten befreit.


Um 11:15 fingen wir dann endlich an, das Frühstück vorzubereiten. Es gab Hotdogs vom Einmalgrill, Spiegeleier vom Kamin und Kartoffeln aus dem Kamin. Kurze Zeit später wurde dann die Kartoffelsuppe serviert. Um 17:30 gab es die Chilireste von Freitag und als Abendbrot gab es dann Bohnen und Reis die auf dem Kamin erwärmt wurden. Der Reis brauchte dort ganze 3,5 Stunden um eine essbare Konsistenz zu bekommen.
Unsere Luxusküche.
5. Der Waldmensch hat niemals zwei gleiche Tassen.
Abends wurden Kartenspiele bei Kerzenlicht gespielt und die Wärme des Kamins genossen. Außerdem wurde kreative Kerzenkunst erzeugt.


Eine bildschöne Eule, die von kreativen Waldmenschen in mühevoller Arbeit in die Kerze graviert wurde.
Es war so warm, dass man nicht mehr zwei Hosen übereinander tragen musste. Skiunterwäsche und Stulpen reichten aus. Allerdings hatte es auch 24 Stunden gedauert, um die Hütte auf diese Temperatur zu bringen. Sogar im Schlafzimmer war es jetzt warm. Meine Mitbewohner hatten sich Bier mit zur Hütte genommen, welches in Ermangelung von Biergläsern aus vier verschiedenen Gefäßen getrunken wurde.


6. Der Waldmensch verlässt das Haus nie ohne Kopflampe.
In einem Wald wird es sehr dunkel. Der Stadtmensch ist Straßenlampen, Autos und Häuser gewöhnt, die die Umgebung beleuchten. Dem Waldmensch ist dies nicht vergönnt. Obwohl es ein kleines Toilettenhäuschen neben unsere Hütte gab, hat es im Dunkeln jeder bevorzugt hinter der nächsten Ecke oder dem nächsten Baum zu verschwinden. Als sich einer meiner Mitbewohner auf einer dieser nächtlichen Exkursionen befand, wurden Nordlichter gesichtet. Das Team wurde informiert und jeder rannte (ohne sich einen zweite Schicht anzuziehen) nach draußen.


7. Der Waldmensch glaubt den Mythen.
Die Nordlichter waren direkt über dem Fluss und waren sogar recht stark. Lisa wurde früher erzählt, dass man nicht pfeifen darf, wenn die Nordlichter zu sehen sind, da sie einem sonst den Kopf abhacken. Gerrit hat sich daraus einen Spaß gemacht und trotzdem gepfiffen, was für Lisa Grund genug war, wieder in der Hütte zu verschwinden. Ich habe in dem Moment ein Foto von Aurora gemacht, das aussieht wie ein winkender Geist. Ob das eine Reaktion auf das Pfeifen war? Nach ein paar Minuten wurde mir auch kalt in meiner dünnen Hose, sodass ich mich auch wieder auf den Weg zur Hütte gemacht habe.

Der winkende Aurorageist.
Kurze Zeit später war wieder Schlafenszeit. Allerdings haben wir uns diesmal in den Betten verteilt und uns nicht auf 40cm gedrängt. Lisa und ich blieben auf dem Schlafsofa im Wohnzimmer, Gerrit lag unten im Hochbett und Nina bezog das Bett darüber, während Alex und Alex sich das große Bett teilten. Nach nicht einmal 10 Minuten wurde Gerrit von einer Planke, die als Lattenrost für Ninas Bett dienen sollte, getroffen. Daraufhin hat Nina sich lieber auf eine Matratze auf dem Boden gelegt. Kurz vor 8:00 war auch diese Nacht wieder vorbei. Die Rucksäcke wurden gepackt während Spiegeleier vor sich hin brieten.


Am Abend vorher hatten wir auf eine faire Weise bestimmt, wer in welcher Etappe nach Hause fahren würde. Ich durfte mit der weiblichen Alex als Erstes nach Hause.

Ein ganz normaler Morgen.
Nina, Lisa und Alex blieben noch etwas in der Hütte um zu putzen und die Hütte wieder in Normalzustand zu versetzen. Um 10:30 war ich wieder in der Zivilisation und habe als erstes geduscht und Zähne geputzt. Irgendwie hatte ich so ein starkes Bedürfnis nach Sauberkeit, dass ich zwei Waschmaschinen angestellt habe und mein Zimmer gewischt habe.

Als ich mich gerade darauf gefreut habe, dass ich den ganzen Restsonntag zum Ausruhen hatte, wurde ich von Tamara zum Langlaufen überredet. Wir sind zum Komsa gegangen und sind dort die Runde gefahren, die wir am Mittwoch mit Tore gefahren sind. Obwohl es kurz vorher noch ein bisschen geschneit hatte, kam die Sonne raus, sodass ich ständig anhalten musste, um Fotos zu machen. Nach zwei Stunden waren wir zurück und mein "Ausruhsonntag" konnte beginnen.




Aussicht auf Alta

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